Peter Bräunlich im Interview zu den Bedingungen im Leistungssport

Uns fehlen professionelle Strukturen

Nach der Rücktrittswelle im Schwimmverband hofft Peter Bräunlich, dass mehr Talente in Dresden bleiben. Von Daniel Klein

Die Schlagzeilen waren keine positiven, die Wörter Chaos und Zoff kamen sehr häufig vor. Im Dezember warfen innerhalb weniger Tage die Präsidentin des Deutschen Schwimmverbandes (DSV), ihre Stellvertreterin und schließlich der Bundestrainer hin. „Ein Verband am Boden“, lautete eine Überschrift. Es waren nicht die Rücktritte allein, die für kollektives Kopfschütteln sorgten, sondern die Auslöser. Die Präsidentin Gabi Dörries wollte den Jahresbeitrag für die Mitglieder um 60 Cent auf 1,40 Euro erhöhen, es wäre die erste Steigerung seit 30 Jahren gewesen. Eine Mehrheit des Verbandstages lehnte das ab – und Dörries trat zurück.
Schwimmer meldeten sich zu Wort, sie formulierten ihre Kritik teils drastisch. „Ihr macht unseren Sport kaputt“, schrieb die ehemalige Aktivensprecherin Dorothea Brandt. Die Heftigkeit der Reaktionen zeigt, wie groß die Kluft innerhalb des mehr als eine halbe Million Mitglieder zählenden Verbandes offensichtlich ist. Peter Bräunlich hat auch einen Mitgliedsausweis. „Die Außendarstellung ist natürlich miserabel“, findet der leitende Stützpunkttrainer in Dresden. Überrascht haben ihn die Rücktritte allerdings nicht.
Wenn der 60-Jährige über die Hintergründe erzählt, wird klar, wo das Problem liegt: 95 Prozent der Mitglieder im DSV sind Hobbyschwimmer, auch bei Abstimmungen haben sie die Mehrheit. „Der wurde die Erhöhung nicht erklärt. Es kam so rüber, dass die Mehreinnahmen nur für den Leistungssport bestimmt sind. Ein Kommunikationsproblem“, meint Bräunlich, der eine Trennung der beiden Sparten für sinnvoll hält. „Uns fehlen eben professionelle Strukturen – auch ganz oben.“
Bräunlich repräsentiert quasi das Gegenstück, weil er an der Basis mit den Folgen zu kämpfen hat. Seine Erkenntnis nach vielen Jahren am Beckenrand: „Wir sparen uns zu Tode.“ Seine Stelle finanziert zur Hälfte das Sportgymnasium, die andere Hälfte kommt vom Dresdner SC. Der Verband zahlt nicht sein Gehalt. Dabei trainiert er in Dresden die ältesten Nachwuchsjahrgänge, also diejenigen, die bei den großen Titelkämpfen schon bald Medaillen sammeln sollen. Und mit einigem Stolz erzählt er, dass „wir in den vergangenen acht Jahren bei den deutschen Juniorenmeisterschaften immer der erfolgreichste sächsische Stützpunkt waren“. Honoriert oder gewürdigt, das hört man deutlich heraus, hat das offenbar niemand.
Er fordert mehr Qualifikation und Motivation für die Trainer vor Ort. „Mit Motivation meine ich auch die finanzielle. Wenn man die Basis verhungern lässt, kommen keine Talente mehr nach“, erklärt er. In Neckarsulm hat man bereits die Konsequenzen gezogen, dort will man sich nicht mehr auf Fördergelder vom Bund, Land oder dem Verband verlassen. In der Nähe von Heilbronn entstand ein Profi-Schwimmteam, das von Sponsoren finanziert wird, die den Sportlern auch eine berufliche Ausbildung ermöglichen. „In anderen Ländern funktioniert das gut“, meint Bräunlich. „Und das kann ich mir auch in Dresden vorstellen, Ansätze gibt es schon.“ Mit zwei, drei Firmen sei man im Gespräch. „Wir müssen versuchen, unsere Talente hier zu halten. Dafür brauchen sie aber eine Perspektive.“ Bisher wanderten die Besten spätestens nach dem Abitur in die großen Leistungszentren ab.
Dies war auch der Weg, den der zurückgetretene Bundestrainer Henning Lambertz konsequent bestritten hatte: Konzentration auf wenige Stützpunkte und trainieren nach seinen Vorgaben. Damit ist er gescheitert, ihm wurde letztlich die Gefolgschaft verweigert. Sein Nachfolger Bernd Berkhahn, der in Magdeburg die derzeit besten deutschen Schwimmer Florian Wellbrock, Franziska Hentke und Sarah Köhler betreut, setzt dagegen auf die Eigenverantwortung der Heimtrainer und nicht unbedingt auf eine Zentralisierung. Der DSV macht damit eine Rolle rückwärts.
Bräunlich findet die neue Strategie dennoch richtig. „Ich stehe hinter dem Weg und hinter der Person Bernd Berkhahn. Er hat Ahnung ohne Ende“, sagt er. Mit den Rücktritten verbindet er nicht zuerst Chaos und Zoff, sondern einen Neuanfang – und damit eine Chance.
Die Bedingungen in der neuen Schwimmhalle am Freiberger Platz sind sehr gut. An der finanziellen Absicherung der Trainer mangelt es aber, findet Stützpunktchef Peter Bräunlich.
Foto: Robert Michael